Wer ist eigentlich die G20? – Interaktive Infografiken und vergleichende Karten

Wer sind eigentlich die G20: Interaktive Infografiken und vergleichende Karten

Was steckt hinter der G20? Wir haben acht wichtige Indikatoren aus Wirtschafts-, Sozial- und Umweltdaten ausgewählt und daraus sieben vergleichende Karten und Grafiken entwickelt. Hier gibt es alle Karten und Informationen auf einen Blick.

Wer ist eigentlich die Gruppe der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer und der Europäischen Union, (G20), die sich da aufschwingen, die Welt zu regieren und deren Staatsoberhäupter sich im Juli in Hamburg versammeln wollen, um über die Geschicke der Welt zu beraten?

Um einen Beitrag zur Beantwortung dieser Frage zu leisten, haben wir uns zunächst für die Präsentation der wichtigsten Wirtschafts-, Sozial- und Umweltdaten jedes G20-Mitglieds auf drei interaktiven Infografiken entschieden. Diese Länderprofile befinden sich weiter unten im Portal. Auf jeder einzelnen Infografik gibt es Menüpunkte, hinter denen sich weitere Informationen verbergen. Die Darstellung kann auch mit Zoom vergrößert und verkleinert werden.

Diese Länderprofile zeigen jedoch nur einen Teil der Antwort auf die Frage, wer die G20 ist. Weitere interessante Aspekte verrät der direkte Vergleich der Klubmitglieder mit Blick darauf, wo die G20 in der Umsetzung der Prioritäten ihrer politischen Agenda steht.

Wir haben deshalb acht wichtige Indikatoren ausgewählt und daraus sieben Karten und Grafiken entwickelt, die diesem Vergleich dienen (hierfür gilt unser besonderer Dank Michel Penke). Eine Schwierigkeit im Prozess der Erarbeitung der Kartendesigns war die nicht immer optimale Datenbasis. Verbunden damit ist ein beständiger Konflikt der Arbeit mit Daten. Wer erhebt sie, vor welchem Hintergrund, mit welcher Definition, mit welchen Methoden und zu welchem Zweck? Daten und Statistiken sind wichtige Hilfsmittel zur Abbildung der Realität, aber eben auch nicht mehr. Auf der einen Seite ist es möglich, Aussagen zu gewählten Fragen auf wesentliche Aspekte zu reduzieren, Trends werden sichtbar und Momentaufnahmen von Entwicklung gezeigt. Auf der anderen Seite haben Statistiken und Daten ihre Grenzen. Sie sind immer nur eine Informationsquelle, die einen Ausschnitt einer komplexen Realität abbilden. Für unser Vorhaben, die G20-Mitglieder zu vergleichen, standen wir insbesondere vor der Herausforderung, dass die Daten nicht durchgängig in einer Quelle verfügbar waren. Das war z.B. besonders problematisch, bei der Suche nach Angaben zur Gender Pay Gap (der geschlechterspezifische Verdienstunterschied), zu der für viele Länder keine Erhebungen durchgeführt werden. Die Verwendung verschiedener Quellen ist aber damit verbunden, dass die Vergleichbarkeit leidet, da unterschiedliche Methoden der Datenerhebung zugrunde gelegt werden.

Es folgen Begleittexte für die Arbeit mit den Karten, die Lese- und Interpretationshilfe sein können, aber auch auf die Grenzen verweisen.

1. Bruttoinlandsprodukt (BIP) und Kaufkraft

Die G20 ist der Zusammenschluss einer Auswahl der wirtschaftlich mächtigsten Nationen der Welt. In der BIP-Karte wird das Bruttoinlandsprodukt (BIP) und das BIP pro Kopf kaufkraftparitätisch gegenübergestellt. Damit ist eine bessere Vergleichbarkeit zwischen den G20-Mitgliedern gegeben. So wird die individuelle Wirtschaftsleistung unter Berücksichtigung der jeweiligen Bevölkerungszahl und des Preisniveaus sichtbar. Doch Wirtschaftskraft allein sagt noch nichts über den Wohlstand und das Wohlbefinden der Bevölkerung aus. Entscheidender ist: Wie wird Wohlstand generiert? Wer ist daran beteiligt? Wie gestaltet sich die Einkommensverteilung? Denn schließlich gilt: BIP kann man nicht essen!

2. Entwicklung der Einkommensverteilung im letzten Jahrzehnt (Gini-Index)

„Inklusives“ Wachstum, ein Ziel der G20, erfordert Umverteilungspolitik, damit alle Bevölkerungsteile von wachsender wirtschaftlicher Leistung profitieren. In dieser Grafik wird die Entwicklung der Einkommensverteilung gemessen mit Hilfe des Gini-Index über einen Zeitraum von zehn Jahren gezeigt. Ungleichheit ist auf mehreren Ebenen ein Problem – nicht nur als Ungleichheit zwischen globalem Norden und globalem Süden – auch innerhalb einzelner Länder wächst die soziale und wirtschaftliche Ungleichheit, oft trotz steigendem BIP. Es wird sichtbar, dass einigen Schwellenländern kleine Fortschritte zu mehr Verteilungsgerechtigkeit erreicht haben, während sich in den alten G8-Staaten wie auch in China und Südafrika die Einkommensgerechtigkeit zu mehr Ungleichheit verschoben hat – und das trotz Wirtschaftswachstum.

3. Korruptionswahrnehmungsindex

Der Kampf gegen Korruption steht seit Jahren ganz oben auf der Agenda der G20. Regelmäßig werden dazu gemeinsame Aktionspläne entworfen und beschlossen. Die Ausnutzung von Macht durch Politiker und Beamte für private Zwecke zerstört das Vertrauen der Bevölkerung in Politik, in staatliche Institutionen und die Gesellschaft. Sie erschwert gesellschafts- und entwicklungspolitische Prozesse. Der Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International betrachtet die wahrgenommene Korruption in 168 Ländern und zeigt unter anderem, dass zu den Ländern mit schwerwiegenden Korruptionsproblemen auch rund die Hälfte der G20-Mitglieder zählt.

4. Subventionierung fossiler Brennstoffe vs. Investitionen in erneuerbare Energien

Die Subventionierung fossiler Brennstoffe konterkariert Maßnahmen zum Klimaschutz und verzögert den Ausbau erneuerbarer Energien weltweit. Bereits im Jahr 2009 verständigte sich die G20 darauf, „ineffiziente“ Subventionen abzuschaffen. Angesichts des bei der UN-Klimakonferenz 2015 in Paris beschlossenen Ziels, die Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, ist das umso dringlicher. Bisher hat sich die G20 aber nicht einmal auf eine Definition „ineffizienter Subventionen“ einigen können. Wir zeigen in dieser Karte, in welchem Verhältnis die Investitionen in erneuerbare Energien zur Subventionierung der klimaschädlichen fossilen Brennstoffe stehen.

Zu beachten: Es gibt sehr unterschiedliche Definitionen dafür, was eine Subvention ausmacht, und diese unterscheiden sich je nach der zugrunde gelegten Quelle. Wir haben Daten des Internationalen Währungsfonds (IWF) genutzt, der eine relativ breite Definition von Subventionen verwendet. Diese umfasst sowohl Steuererleichterungen und vom Staat gezahlte Subventionen im engeren Sinne als auch die Verzichtskosten für eine eigentlich zu zahlende Steuer, welche die Umweltschäden reflektiert, die durch Energieproduktion und –verwendung verursacht werden, z.B. CO2-Steuer.

Die Kontroverse um Subventionsabbau ist also auch eng mit sozialpolitischen Aspekten verknüpft. Das gilt insbesondere in großen Schwellenländern wie China, Brasilien oder Indien, wo sich die Lebenshaltungskosten enorm erhöhen würden, wenn Subventionen ohne sozialpolitische Abfederung einfach gestrichen würden.

5. Anteil erneuerbarer Energien an Stromproduktion 

Die G20 produziert weltweit 75 Prozent der Treibhausgas-Emissionen und muss deshalb im Bereich der Energie- und Klimapolitik vorangehen. Die Abkehr von der Nutzung fossiler Brennstoffe zur Stromerzeugung sollte dabei ein Kernanliegen sein. Die Karte vergleicht den Anteil der Erneuerbaren an der Stromproduktion. In den Dropdowns steht, aus welchen Quellen sich die Erneuerbaren zusammensetzen.

Für die Bewertung wäre zu bedenken, dass auch mit großen Wasserkraftwerken immense Umweltprobleme, wie auch gesellschaftliche Konflikte und oft auch Menschenrechtsverletzungen einhergehen: Die Flutung großer vegetationsreicher Flächen führt dazu, dass durch die Verrottungsprozesse nicht unwesentliche Mengen an klimaschädlichen Gasen wie Methan oder CO2 freigesetzt werden. Darüber hinaus ist der Bau großer Staudämme häufig mit der Umsiedlung ganzer Bevölkerungsgruppen verbunden. Diese Probleme konnten beim Ranking der G20-Mitglieder nicht berücksichtigt werden, weshalb es wichtig ist, auf die Zusammensetzung der Quellen für die erneuerbare Stromproduktion zu schauen. Dazu lohnt sich auch ein Blick in die jeweils dritte Seite der Infografiken der Länderprofile zur Energie- und Klimapolitik.

6. Gender Pay Gap und Anteil von Frauen an Erwerbstätigen

Die G20 hat sich 2014 kollektiv dazu verpflichtet, die geschlechtsspezifische Beschäftigungslücke von Frauen bis 2025 um 25 Prozent (das 25 in 25-Ziel) zu verringern, und zur Zielerreichung 100 Millionen Jobs für Frauen zu schaffen. Zur Schaffung von Arbeitsplätzen gehören aber Rahmenbedingungen, die Frauen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtern, z.B. auch eine gerechtere Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen bezogen auf Pflege und unbezahlte Haushaltsarbeit. Nur so wird kontinuierliche Erwerbstätigkeit für Frauen und Männer in verschiedenen Lebensphasen und ein guter Ausgleich zwischen Leben und Erwerbsarbeit möglich. Das alles wird in den Umsetzungsplänen der G20 aber genauso ausgeblendet, wie der bestehende Unterschied in der Bezahlung zwischen Männern und Frauen, der den Gender-Pay-Gap beziffert. Mehr Frauen in Arbeit zu bringen, kann leicht abgleiten in die Bereitstellung zusätzlicher billiger Arbeitskräfte. Angesichts von Automation und Digitalisierung ist eine reine Arbeitsplatzbeschaffungsagenda der G20 ohnehin nicht zukunftsorientiert. Hier müssen strukturelle Veränderungen her, die sich ernsthaft auseinandersetzen und Schluss machen mit der Ausgrenzung von unbezahlter Sorgearbeit, die überhaupt erst die Voraussetzung dafür ist, dass im kapitalistischen Markt Erwerbsarbeit und Wertschöpfung möglich sind.

Wir wollten wissen, wo die G20-Mitglieder selbst stehen, Geschlechtergerechtigkeit im Arbeitsmarkt umzusetzen und zeigen deshalb den weiblichen Erwerbstätigenanteil zusammen mit dem Gender Pay Gap in einer Grafik. Der Gender-Pay-Gap zeigt den prozentualen Unterschied zwischen dem durchschnittlichen Bruttoverdienst pro Stunde von Männern und Frauen. Daten dazu werden unzureichend erhoben, weshalb wir auf sehr verschiedene Quellen zurückgreifen mussten. Die Ursachen des Gender-Pay-Gaps sind vielfältig: z.B. arbeiten Frauen häufiger in Teilzeit als Männer; Einkommen von Männern sind oft auch bei gleicher Arbeit höher als von Frauen in gleicher Position; Statistiken zeigen, dass auch private Unternehmerinnen weniger für ihre Dienstleistungen kassieren als ihre Kollegen. Auch weisen Frauen häufiger Brüche in der Erwerbsbiografie auf als Männer, bedingt durch Schwangerschaft oder die Pflege von Familienangehörigen.

7. Globaler Konsens für menschenwürdige Arbeit – ILO-Kernarbeitsnormen

Die Kernarbeitsnormen der internationalen Arbeitsorganisation (IAO) sichern die Grundrechte von Beschäftigten weltweit. Dazu zählt das Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit, das Recht auf Vereinigungsfreiheit (z.B. Gewerkschaften zu gründen) und das Recht auf Kollektivverhandlungen genauso wie Entgeltgleichheit und die Verhinderung von Diskriminierung am Arbeitsplatz.

Diese Kernarbeitsnormen der IAO stellen einen globalen Konsens dar, mit dem die Globalisierung begleitet, menschenwürdige Arbeitsbedingungen geschaffen und grundlegende Rechte von Arbeitnehmer/innen geschützt werden sollen.

Die Grafik zeigt, dass die G20-Mitglieder sehr unterschiedlich zur Ratifizierung dieser Normen stehen. Das sagt jedoch nicht zwangsläufig etwas über die tatsächlichen Arbeitsbedingungen im jeweiligen Land aus. Papier ist bekanntermaßen geduldig.

Die Übersicht vermittelt vielmehr einen Eindruck davon, wie die G20-Mitglieder zu internationalen Übereinkünften stehen und wie ernst sie verpflichtende Verbindlichkeiten solcher Normen nehmen.

Die . Das sagt jedoch nicht zwangsläufig etwas über die tatsächlichen Arbeitsbedingungen im jeweiligen Land aus. Papier ist bekanntermaßen geduldig.  Die Übersicht vermittelt vielmehr einen Eindruck davon, wie die G20-Mitglieder zu internationalen Übereinkünften stehen und wie ernst sie verpflichtende Verbindlichkeit multilateraler Vereinbarungen nehmen. 

Dieser Artikel ist ein Beitrag aus unserem Dossier "G20 im Fokus".